Der Übergang von der Schule in die Ausbildung bzw. in den Beruf gestaltet sich für viele junge Menschen schwierig. Ein erheblicher Teil der Jugendlichen gelangt nicht direkt in die Ausbildung, sondern mündet nach Verlassen der allgemeinbildenden Schule zunächst in das sogenannte Übergangssystem ein, welches inzwischen als Übergangsbereich oder auch als Übergang Schule-Beruf geläufig ist.
Nach der Definition des Nationalen Bildungsberichts 2006 zählen zum beruflichen Übergangssystem „(Aus-)Bildungsangebote, die unterhalb einer qualifizierten Berufsausbildung liegen bzw. zu keinem anerkannten Ausbildungsabschluss führen, sondern auf eine Verbesserung der individuellen Kompetenzen von Jugendlichen zur Aufnahme einer Ausbildung oder Beschäftigung zielen und zum Teil das Nachholen eines allgemein bildenden Schulabschlusses ermöglichen“ (Hrsg. Konsortium Bildungsberichterstattung, S. 79). Darunter fallen auch „teilqualifizierende Angebote, die auf eine anschließende Ausbildung als erstes Jahr angerechnet werden können oder Voraussetzung zur Aufnahme einer vollqualifizierenden Ausbildung sind“, ergänzt der Nationale Bildungsbericht 2008 die Definition (Hrsg. Autorengruppe Bildungsberichterstattung, S. 99). Im Berufsbildungsbericht 2012 spricht die Bundesregierung erstmalig vom „Übergangsbereich“. Auf den folgenden Seiten wird jedoch weiterhin der Begriff „Übergangssystem“ verwendet.
Seit Initiierung des Benachteiligtenprogramms in den 80er Jahren bis zum Jahr 2005 weitete sich das berufliche Übergangssystem erheblich aus. Die Autor/-innen des Nationalen Bildungsberichts 2006 bezeichneten es aufgrund seiner quantitativen Bedeutung erstmals als dritte Säule im Berufsbildungssystem (S. 79). Als Gründe für die beträchtliche Ausweitung wurden damals sowohl eine stark gestiegene Zahl an Schulabgänger/-innen bei rückläufigem Lehrstellenangebot als auch eine zu niedrige Qualifikation bei ansteigenden Anforderungen in der Ausbildung genannt. So schafften es insbesondere Schulabgänger/-innen ohne oder mit Hauptschulabschluss nur selten, unmittelbar nach Schulende eine reguläre Ausbildung zu beginnen. (Mittlerweile ist die Zielgruppe jedoch heterogener geworden. Sie umfasst z. B. Jugendliche mit Lernschwierigkeiten, mit sozialen oder individuellen Benachteiligungen, Jugendliche mit Migrationshintergrund, mit Fluchterfahrungen oder mit Behinderungen. Zunehmend schaffen auch Schulabsolvent/-innen mit einem mittleren Bildungsabschluss nicht mehr den direkten Weg in die Ausbildung.)
Die Quantität des Übergangssystems wurde nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Die fehlende Abstimmung der vielfältigen Angebote und verschiedenen Programme geriet jedoch in die Kritik, weil die Jugendlichen dadurch in vermeintlich unnötigen Warteschleifen ohne Anschlussperspektiven verweilten und nicht in zielgerichteten Bildungsangeboten.
Im Jahr 2007 empfahl der Innovationskreis Berufliche Bildung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), Programme bzw. Angebote durch ein verbessertes Übergangsmanagement zu bündeln und zu koordinieren, anstatt weitere einzuführen.
Dies nahm das Bundesbildungsministerium 2009 zum Anlass, das Übergangssystem neu zu strukturieren und effizienter zu gestalten, z. B. durch den Ausbau der frühzeitigen Berufsorientierung in der Schule sowie eine bessere Verzahnung von Schule, Übergangsbereich und Berufsausbildung.
Zur Erreichung dieser Ziele wurden in der Folge etliche Bundes- und Landesprogramme zur Optimierung des Übergangssystems aufgelegt und Initiativen ins Leben gerufen, wie z. B. Übergänge mit System der Bertelsmann Stiftung, das Programm Perspektive Berufsabschluss mit der Förderinitiative „Regionales Übergangsmanagement“ des BMBF oder das 2010 gegründete Arbeitsbündnis Jugend und Beruf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit, das bundesweit die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der Rechtskreise des SGB II, III und VIII verbessern soll, z. B. in Form von Jugendberufsagenturen.
(Vertiefende Informationen zu weiteren Bundes-, Landes- und Regelprogrammen sowie zu Initiativen und Modellprogrammen finden Sie im Menüpunkt Programme.)
Dass immer wieder Programme zur Optimierung des Übergangssystems ausgebaut oder neu aufgelegt werden, resultiert auch aus den sich ständig verändernden gesellschaftlichen und strukturellen Rahmenbedingungen. Die Tendenz, dass immer mehr Jugendliche eine Hochschulbildung anstreben oder Passungsprobleme zwischen Ausbildungsbetrieben und den Jugendlichen führten beispielsweise zur Gründung der „Allianz für Aus- und Weiterbildung“ im Dezember 2014. Diese Allianz wurde gemeinsam mit Vertreter/-innen der Wirtschaft, der Gewerkschaften und der Länder beschlossen und hat das Ziel, die berufliche Ausbildung in Deutschland zu stärken und Jugendliche und Betriebe zusammenzuführen.
Angesichts eines bestehenden Handlungsbedarfes für die berufliche Integration der jungen Menschen am Übergang Schule-Beruf kündigte das BMBF im April 2015 an, gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), der Bundesagentur für Arbeit und den Ländern die Initiative Bildungsketten weiter auszubauen.
Die Initiative Bildungsketten ist ein Kooperationsmodell zwischen Bund, Ländern und der Bundesagentur für Arbeit. Anhand bundesweit gültiger Förderinstrumente, wie der Beruflichen Orientierung, der Berufseinstiegsbegleitung oder Maßnahmen am Übergang Schule-Beruf, sollen junge Menschen am Übergang von der Schule in Ausbildung oder Beruf unterstützt und begleitet werden. Auf der Webseite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung werden das Konzept, die bundesweit gültigen Förderinstrumente sowie die Begleitstruktur der Initiative vorgestellt. Dort steht zudem das aktuelle Bildungsketten-Journal zur Verfügung.
Seit dem wurden länderspezifische Vereinbarungen geschlossen mit dem Ziel der präventiven und ganzheitlichen Sicherung des Bildungserfolgs junger Menschen sowie der sukzessiven Schaffung einer strukturierten und kohärenten Förderpolitik von Bund und Ländern. Diese Vereinbarungen wurden 2021 verlängert.
Doch trotz aller Bemühungen ist die Zahl der Anfängerinnen und Anfänger im Übergangsbereich nach 2015 auf 266.200 angestiegen und lag laut Berufsbildungsbericht 2017 im Jahr 2016 bei 298.800. Zurückzuführen sei der erneute Anstieg im Wesentlichen auf die Integrationsmaßnahmen für junge Geflüchtete (S. 11).
Seit 2016 sank die Anzahl der jungen Menschen, die eine Maßnahme im Übergangssystem beginnen, wieder und lag laut Berufsbildungsbericht 2020 beispielsweise bei 255.300 im Jahr 2019. Dies wurde mit dem Übergang in Ausbildung der zuvor ins Übergangssystem eingemündeten Geflüchteten aus den Vorjahren begründet (S.23f).
Im Zuge der COVID 19 Pandemie konnten Maßnahmen am Übergang Schule-Beruf nicht oder nicht wie üblich durchgeführt werden. Dies führte laut Berufsbildungsbericht 2021 zu einem weiteren Rückgang der Anfänger/-innen im Übergangsbereich. Ein Rückgang, der auch damit begründet wurde, dass mehr Jugendliche im allgemeinbildenden Schulsystem verblieben waren und beispielsweise Bildungsgänge an Berufsfachschulen besuchten, die allgemeinbildende Abschlüsse der Sekundarstufe I zum Ziel haben (S.29).
Auch 2021 wurde ein Rückgang der Zahl der Anfänger/-innen im Übergangsbereich auf die Corona-Pandemie und auf das Streben nach höheren Bildungsabschlüssen vieler Jugendlicher sowie auf den Verbleib in allgemeinbildenden Schulen zurückgeführt (Berufsbildungsbericht 2022, S. 24).
Mit Ausnahme einzelner Bereiche konnte auch im Jahr 2022 ein Rückgang der Teilnahmen an Angeboten des Übergangsbereichs vermerkt werden (S. 28). Allerdings kam es 2022 insgesamt zu einem Anstieg an Teilnehmenden im Übergangsbereich, was auf eine erhöhte Teilnahme an Angebote zur Sprachförderung zurückzuführen ist (Berufsbildungsbericht 2023, S.26). Auch 2023 konnte ein Gesamtzuwachs des Übergangsbereichs vermerkt werden, der wie im Jahr zuvor aus der Einmündung junger Geflüchteter aus der Ukraine in das Übergangssystem resultiert (Berufsbildungsbericht 2024, S. 32).
Im Mai 2023 unterzeichneten die Partner der „Allianz für Aus- und Weiterbildung 2023-2026“ eine neue Vereinbarung, mit der sie sich zu einer starken Berufsbildung bekennen und ihre Ziele und Maßnahmen neu ausrichten wollen.